Finanzen

Afrika-Wende – Deutschlands unternehmerisches Engagement: Strategie und Tempo

Neue Worte, alte Zurückhaltung

Deutschlands wirtschaftspolitischer Blick auf Afrika wandelt sich. Doch der vielzitierte „Paradigmenwechsel“ vom Entwicklungshilfe-Empfänger zum gleichwertigen Partner bleibt bislang oft ein Lippenbekenntnis. Zwar haben das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das Bundeswirtschaftsministerium und sogar das Bundeskanzleramt Afrika als strategischen Zukunftskontinent erkannt, doch scheitert das Engagement häufig an zu geringer Koordination, Risikoaversion und zu kleinteiligen Ansätzen. Afrika bleibt wirtschaftlich gesehen für Deutschland oft ein „weißer Fleck“.

Strategische Grundlagen: Von der Hilfe zur Partnerschaft

Mit der im Jahr 2023 überarbeiteten Afrika-Strategie des BMZ soll die Beziehung zu afrikanischen Staaten grundlegend neu gedacht werden. Statt „Entwicklungshilfe“ setzt man verstärkt auf Partnerschaften auf Augenhöhe. Die Strategie benennt Schwerpunkte wie den ökologischen Wandel („Just Transition“), gute Regierungsführung, Beschäftigungsförderung und Geschlechtergerechtigkeit.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze erklärte: „Afrika ist unser Nachbarkontinent. Wir haben ein gemeinsames Interesse an stabilen Gesellschaften, wirtschaftlicher Entwicklung und einer lebenswerten Umwelt – in Afrika und bei uns.“

Allerdings gibt es Kritik: Die Koordination zwischen den Ministerien ist mangelhaft, und viele Akteure fordern eine strategischere Gesamtarchitektur – etwa über ein zentrales Afrika-Koordinierungsbüro im Kanzleramt.

Compact with Africa und Global Gateway: Politischer Rahmen

Der „Compact with Africa“ wurde 2017 unter der deutschen G20-Präsidentschaft gestartet, um privatwirtschaftliche Investitionen in afrikanischen Staaten zu fördern. Trotz guter Absichten bleibt der Output bislang limitiert. Die EU versucht mit ihrer „Global Gateway“-Initiative gegenzusteuern. Allein Deutschland kündigte an, bis 2030 über vier Milliarden Euro in afrikanische Energieinfrastruktur zu investieren – insbesondere in den Bereichen grüner Wasserstoff, erneuerbare Energien und Netzausbau.

Ein Beispiel ist das ambitionierte Wasserstoffprojekt „Hyphen“ in Namibia, bei dem deutsche Unternehmen mitmischen. Der Projektleiter Wolfgang Peters sagt: „Wasserstoff bietet die Chance, eine neue industrielle Basis in Afrika zu schaffen – und Deutschland kann davon profitieren, wenn es sich jetzt richtig positioniert.“

Unternehmerisches Engagement: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Deutschland hat gegenüber China, Frankreich oder der Türkei beim wirtschaftlichen Engagement in Afrika deutlich Nachholbedarf. Nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind nur etwa 1.000 deutsche Unternehmen auf dem Kontinent tätig – bei über 50 Staaten und 1,4 Milliarden Menschen. Zum Vergleich: Frankreichs Investitionen in Afrika liegen bei etwa dem Doppelten, Chinas sogar beim Fünffachen.

Die Afrika-Vorsitzende des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Sybille Katharina von Oppeln-Bronikowski, warnt: „Wenn wir Afrika weiter vernachlässigen, wird das wirtschaftlich und geopolitisch ein Bumerang für Deutschland.“

Die Gründe für das zögerliche Engagement sind vielfältig: Hohe Finanzierungskosten, instabile rechtliche Rahmenbedingungen und Sicherheitsbedenken schrecken besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ab.

Fokusfelder: Energie, Infrastruktur und KMU

Infrastrukturausbau, Energieversorgung und digitale Transformation gelten als zentrale Sektoren für deutsches Engagement. Die jährliche Investitionslücke in der afrikanischen Infrastruktur wird auf etwa 50 Milliarden US-Dollar geschätzt. Gerade im Energiesektor tun sich Chancen auf, etwa durch den Ausbau von Solarparks oder dezentralen Stromsystemen. Deutschland unterstützt hier z.B. das „Mission 300“-Programm, das 300 Millionen Afrikanerinnen und Afrikanern Zugang zu Strom verschaffen soll.

Für KMU ist das Umfeld jedoch nach wie vor schwierig. Deshalb versuchen Institutionen wie der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft oder die Initiative SAFRI, den Einstieg zu erleichtern – etwa durch Delegationsreisen, digitale Matchmaking-Plattformen und Beratung zu Finanzierungsmöglichkeiten. Auch das Netzwerk „ImpactConnect“ des BMWK unterstützt gezielt Start-ups und Sozialunternehmen bei Investitionen in Afrika.

Ein Beispiel ist das Hamburger Start-up Boreal Light, das solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlagen in Ostafrika vertreibt. Geschäftsführer Hamed Beheshti sagt: „Die Nachfrage ist riesig. Wir könnten zehnmal so viele Anlagen verkaufen – wenn Finanzierung und Logistik einfacher wären.“

Tempo: Deutschland hinkt hinterher

Trotz aller Strategiepapiere bleibt das Tempo aus Sicht vieler Experten zu gering. Während China innerhalb eines Jahrzehnts zum größten Handelspartner des Kontinents aufstieg und strategisch in Rohstoffe, Infrastruktur und Digitalisierung investiert, agiert Deutschland oft zu kleinteilig.

Die DW kritisierte jüngst: „Deutschland hat keinen Gesamtplan für Afrika. Es fehlt an Kohärenz, Koordination und dem politischen Willen, wirklich strategisch zu handeln.“

Lichtblicke gibt es dennoch: Die GABS-Konferenz (German-African Business Summit) 2024 in Johannesburg zog über 800 Teilnehmer an – darunter auch zahlreiche deutsche Mittelständler. Der Afrika-Verein berichtete von einer spürbaren Dynamik und wachsendem Interesse, etwa an Kooperationen mit Kenia, Ghana oder Südafrika.

Herausforderungen: Risikoaversion, Finanzierungsprobleme und Eurozentrismus

Ein zentrales Problem ist die Risikoaversion deutscher Unternehmen. Afrika wird oft als zu „unsicher“ oder „komplex“ wahrgenommen. Viele Unternehmen fordern daher bessere Exportkreditversicherungen (Hermes-Bürgschaften), steuerliche Anreize und mehr politische Rückendeckung.

Hinzu kommt ein kulturelles Missverständnis: Projekte werden oft aus deutscher Perspektive geplant, ohne afrikanische Partner von Beginn an einzubinden. Der Politologe Dr. Paulin Jidenu Othieno kritisiert: „Solange Deutschland Afrika als Objekt, nicht als Subjekt sieht, wird Partnerschaft auf Augenhöhe Illusion bleiben.“

Chancen: Strategien zur Beschleunigung

Damit die Afrika-Wende gelingt, sind konkrete Maßnahmen nötig:

  • Koordinierte Afrika-Politik: Ein zentrales Koordinationsgremium im Kanzleramt könnte Strategien bündeln und Synergien zwischen BMZ, BMWK und AA heben.
  • Finanzinstrumente stärken: Ausbau von Impact-Fonds, günstigere Kreditlinien und Ausbau der Hermes-Garantien mit spezifischen Afrika-Komponenten.
  • KMU gezielt fördern: Beratung, Markteintrittshilfen und Networking-Plattformen wie KEPSA in Kenia intensivieren.
  • AfCFTA nutzen: Die Afrikanische Freihandelszone eröffnet Zugang zu einem Markt mit über 1 Milliarde Menschen – deutsche Unternehmen könnten hier gezielt Produktionsstandorte aufbauen.
  • Ko-Kreation statt Top-down: Entwicklungsprojekte müssen afrikanisch initiiert und gesteuert sein – Deutschland sollte als Partner auf Augenhöhe auftreten.

Strategiewechsel ja, aber jetzt braucht es Taten

Deutschlands Afrika-Wende ist auf dem Papier eingeläutet. Strategien wie „Compact with Africa“ oder die neue Afrika-Politik des BMZ sind wichtige Schritte. Doch solange Worte nicht durch entschlossenes Handeln, klare Verantwortlichkeiten und unternehmerisches Tempo begleitet werden, bleibt das Potenzial ungenutzt. Deutschland steht in einem globalen Wettbewerb – nicht nur um Märkte, sondern auch um Vertrauen.

Afrika wartet nicht. Wer jetzt investiert, wird langfristig profitieren. Wer weiter zögert, droht den Anschluss zu verlieren.

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