
Mäzenatentum ist ein Begriff mit langer Tradition – einst beschrieb er die Förderung von Künstlern und Denkern durch Adelige oder reiche Bürger.
Heute hat sich diese Praxis in eine neue Dimension verschoben: Superreiche Unternehmer und Erben agieren als moderne Mäzene, indem sie Millionen- oder gar Milliardensummen in Kultur, Bildung, Wissenschaft und soziale Projekte investieren. Besonders in Deutschland, einem Land mit hoher Dichte an Familienunternehmern und Großvermögen, treten immer mehr Persönlichkeiten in den Vordergrund, die durch gezielte Spenden und Stiftungen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben nehmen.
Dieser Artikel beleuchtet, wie einige der prominentesten deutschen Milliardäre als Mäzene agieren, was sie antreibt, welche Wirkung ihr Engagement hat und wo die Grenzen dieser modernen Form der Philanthropie liegen. Dabei wird auch ein Blick auf internationale Entwicklungen geworfen.
Porträts deutscher Mäzene
Hasso Plattner – IT-Visionär und Kunstförderer
Hasso Plattner, Mitgründer des Softwarekonzerns SAP, zählt zu den aktivsten Mäzenen Deutschlands. Sein Einfluss erstreckt sich über mehrere gesellschaftliche Bereiche – von Bildung über Digitalisierung bis hin zur Kunst. Besonders bekannt ist er für das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam, das er 1998 gründete. Das Institut gilt heute als eine der führenden Ausbildungsstätten für IT-Studiengänge in Europa.
Aktuell investiert Plattner mehrere hundert Millionen Euro in den Ausbau des HPI-Campus auf dem Potsdamer Brauhausberg – ein Projekt mit internationaler Strahlkraft. Auch in der Kunstszene ist er präsent: Das von ihm gegründete Museum Barberini beherbergt eine hochkarätige Sammlung impressionistischer Werke, darunter zahlreiche Gemälde von Monet, Renoir und Liebermann. Die breite Zugänglichkeit dieser Kunstwerke wird von Kritikern und Kunstliebhabern gleichermaßen gelobt.
Dietmar Hopp – Sportförderer mit regionalem Fokus
Ebenfalls SAP-Mitgründer, ist Dietmar Hopp vor allem als Unterstützer des Profifußballs bekannt. Sein Engagement für die TSG 1899 Hoffenheim ist umstritten, hat dem Verein aber sportlich wie infrastrukturell enormen Auftrieb verschafft. Über seine Dietmar-Hopp-Stiftung, die zu den größten privaten Stiftungen Europas zählt, fördert er zahlreiche Projekte in Medizin, Bildung und Gesellschaft – insbesondere in der Rhein-Neckar-Region.
In der Corona-Pandemie wurde Hopp deutschlandweit bekannt, als das von ihm geförderte Biotech-Unternehmen CureVac einen Impfstoff entwickeln sollte. Zwar gelang der Marktdurchbruch nicht, doch das Beispiel zeigte, wie stark privatwirtschaftliches Engagement inzwischen in globale Herausforderungen eingreift.
Klaus-Michael Kühne – Logistikunternehmer mit Leidenschaft für Hamburg
Der Mehrheitsaktionär der Spedition Kühne + Nagel, Klaus-Michael Kühne, gilt als einflussreicher Förderer der Hamburger Stadtentwicklung. Sein Engagement für den Hamburger SV, insbesondere die Finanzierung des neuen Stadions und die finanzielle Unterstützung des Vereins in Krisenzeiten, verdeutlichen seinen starken regionalen Bezug.
Über die Kühne-Stiftung engagiert sich Kühne darüber hinaus für Forschung und Bildung, insbesondere in den Bereichen Logistik und Gesundheitswesen. Er fördert unter anderem die Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg, die als private Hochschule internationalen Ruf genießt. Sein Engagement ist stets von einem unternehmerischen Blickwinkel geprägt – Kühne sieht sich als „Investor in gesellschaftlichen Fortschritt“.
Susanne Klatten – Diskrete Milliardärin mit Innovationsfokus
Die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten zählt zu den reichsten Frauen Europas und agiert eher im Hintergrund – doch ihr Einfluss ist nicht minder bedeutend. Mit ihrer Investmentgesellschaft SKion GmbH unterstützt sie gezielt Start-ups mit ökologischem oder sozialem Anspruch. Ihr Fokus liegt auf nachhaltigen Technologien, Umweltlösungen und der Förderung von Frauen in Führungspositionen.
Klatten ist Mitinitiatorin der Stiftung QUANTERA, die sich für ethische Unternehmensführung und innovative Bildung einsetzt. Ihr Engagement ist oft strukturell orientiert – sie baut nicht nur auf kurzfristige Wirkung, sondern auf langfristige Veränderung durch nachhaltige Systeme.
Motive und Strategien des Mäzenatentums
Die Beweggründe für das Engagement von Milliardären sind vielfältig. Viele von ihnen betonen eine ethische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft – häufig im Sinne eines „Giving back“, also einer Rückgabe eines Teils des eigenen Wohlstands an die Allgemeinheit. Doch es spielen auch strategische Motive eine Rolle.
Ein bedeutender Antrieb ist die Imagepflege. Mäzenatentum kann das öffentliche Ansehen verbessern, Vertrauen aufbauen und ein positives Vermächtnis hinterlassen. Auch steuerliche Vorteile sind nicht zu unterschätzen: Spenden an gemeinnützige Organisationen sind steuerlich absetzbar, was das philanthropische Engagement zusätzlich begünstigt.
Ein weiterer Aspekt ist die Einflussnahme: Über große Stiftungen und Förderprojekte können reiche Einzelpersonen gezielt gesellschaftliche Entwicklungen lenken – sei es durch Bildungsangebote, Forschungsfinanzierung oder Medienarbeit. Dabei verschwimmt oft die Grenze zwischen altruistischer Hilfe und gezielter Interessenverfolgung.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Der Einfluss von Mäzenen ist nicht zu unterschätzen. Viele Projekte im Bereich Bildung, Kunst oder medizinischer Forschung wären ohne privates Kapital kaum realisierbar. Sie ergänzen staatliche Leistungen und schaffen neue Möglichkeiten – oft schneller und flexibler als öffentliche Institutionen.
Gleichzeitig wirft diese Entwicklung kritische Fragen auf: Inwieweit darf gesellschaftliche Infrastruktur von einzelnen Superreichen abhängig sein? Fehlt es hier nicht an demokratischer Kontrolle? Wenn eine Schule oder ein Museum nur existiert, weil ein Mäzen es fördert – wer entscheidet dann über Inhalte und Ausrichtung?
Die Sorge um eine zunehmende Privatisierung öffentlicher Güter ist berechtigt. Kritiker warnen vor einem „Philanthrokapitalismus“, der Machtkonzentration fördert und öffentliche Aufgaben zunehmend an Private delegiert. Gleichzeitig gibt es Forderungen nach mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht – denn wo privates Geld öffentlich wirkt, sollten auch öffentliche Standards gelten.
Internationale Perspektiven
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass insbesondere in den USA das Mäzenatentum tief in der Kultur verankert ist. Figuren wie Bill Gates, Warren Buffett oder MacKenzie Scott haben Milliardenbeträge in Stiftungen überführt. Die Bill & Melinda Gates Foundation ist heute einer der wichtigsten Akteure in der globalen Gesundheitsversorgung.
In Deutschland dagegen wird Reichtum traditionell diskreter behandelt. Öffentliches Engagement erfolgt oft ohne große PR-Kampagnen. Gleichzeitig hinkt Deutschland in Bezug auf steuerliche Anreize und zivilgesellschaftliche Strukturen hinterher – viele Stiftungen müssen sich mit Bürokratie und Regulierungen herumschlagen.
Ein Unterschied zeigt sich auch in der Zielsetzung: Während US-Stiftungen oft global agieren, ist deutsches Mäzenatentum stärker regional fokussiert – viele Projekte unterstützen lokale Kultur, Infrastruktur oder soziale Initiativen.
Zukunft des Mäzenatentums
Die Formen des Mäzenatentums wandeln sich: Neben klassischen Spenden treten neue Ansätze wie Impact Investing, Social Entrepreneurship oder Venture Philanthropy. Hier geht es nicht nur um Geld, sondern um unternehmerisches Denken zur Lösung gesellschaftlicher Probleme.
Digitale Plattformen ermöglichen zudem mehr Transparenz und Beteiligung – Spender*innen wollen heute wissen, welche Wirkung ihr Geld entfaltet. Auch das Thema Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung: Viele Mäzene fördern gezielt Projekte, die ökologische, soziale und ökonomische Dimensionen verbinden.
Gleichzeitig wird es zentral sein, neue Formen der Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu entwickeln. Statt gegeneinander sollten öffentliche und private Akteure gemeinsam daran arbeiten, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern – mit klaren Rollen, Regeln und Rechenschaftspflicht.
Ein komplexes Phänomen
Milliardäre als Mäzene – das ist ein komplexes Phänomen mit Licht und Schatten. Einerseits ermöglichen sie Innovation, Fortschritt und kulturelle Vielfalt. Andererseits werfen ihre Aktivitäten Fragen nach Macht, Einfluss und Gerechtigkeit auf.
Ob Hasso Plattners Bildungscampus, Dietmar Hopps Sportförderung, Klaus-Michael Kühnes Stadtentwicklung oder Susanne Klattens Innovationsprojekte – sie alle zeigen, wie groß der Gestaltungsspielraum durch privates Vermögen geworden ist. Entscheidend wird künftig sein, diesen Einfluss im Sinne einer demokratischen, offenen und gerechten Gesellschaft zu gestalten – transparent, verantwortungsvoll und im Dialog mit der Öffentlichkeit.
Denn Mäzenatentum darf keine neue Form der Elitenherrschaft sein – sondern ein Angebot an die Gesellschaft, das ihre Vielfalt bereichert, ohne sie zu dominieren.